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Ouroboros - Fluss des Lebens

Ein Pfeil steht für Bewegung, bewegt sich aber nicht selbst. Diese symbolisches Kraft des Pfeils, die in der Ambivalenz von tatsächlicher Statik und dem verheißungsvollen Versprechen von Dynamik liegt, hat Ahmed Ibrahim schon lange gefesselt und zu verschiedenen Werkreihen geführt, in denen er den Pfeil als persönliche Metapher für Leben im Sinne von Wachstum und Expansion für sich entwickelt hat.

Auch bei seiner aktuellen Arbeit „Ouroboros“ für die Nepix Kull ist der Pfeil das zentrale Gestaltungselement, nur hat er dieses Mal mit rund 2 m Länge fast menschliches Maß angenommen. Auch ist es das erste Mal, dass Ahmed Ibrahim eine seiner Plastiken in den freien Naturraum setzt. Was zuvor die rechteckige Grundfläche war, auf die er seine Formen fixierte, ersetzt nun die grüne Wiese. Strahlend weiß heben sich davon die zahlreichen vollplastischen Pfeilkörper ab und formieren sich locker zur Kreisform. Sie scheinen über dem grünen Teppich nahezu schwerelos zu schweben, ziehen auf verschiedenen Ebenen lautlos ihre Bahn, berühren sich nicht, kollidieren nicht, obwohl sie in so viele verschiedene Richtungen streben wie es Pfeilspitzen gibt. Dabei ist der einzelne Pfeil nicht nur Symbol für eine Richtung, sondern verbindet auch Gegensätzliches, führt von „hier“ nach „dort“, jeder begibt sich auf seine individuelle Reise. Gegenläufiges scheint in der Vielzahl der Einzelteile sogar Methode und dennoch bleibt das Chaos der Dynamiken in der Form des Kreises gebannt. Die Pfeile kreisen in und um sich selbst und bildet dabei den Kreis als vollkommenste aller Formen Der Kreis selbst aber kommt nicht vom Fleck, wird aber wiederum in Form der Insel von Wasser umflossen.

Nicht von ungefähr nennt Ahmed Ibrahim, der in Ägypten geboren ist, seine Arbeit „Ouroboros“. Er greift nämlich damit auf ein bereits im alten Ägypten belegtes Bildsymbol einer Schlange zurück, die sich in den eigenen Schwanz beißt und so mit ihrem Körper einen geschlossenen Kreis bildet. Die Schlange allgemein galt wegen ihrer Häutung allein schon als Sinnbild des sich immer wieder erneuernden Lebens, aber durch den Zirkelschluss des Körpers, bei der Anfang und Ende untrennbar miteinander verknüpft sind, wurde dieses Symbol noch als anschauliches Bild für die zyklische Vorstellungen, mit dem auch abstrakte kosmologische Ideen verbunden werden konnten. Dem Ende folgt stets ein neuer Anfang wie es z.B. der Einheit von Leben und Tod oder dem Zyklus der Jahreszeiten und der Sternenbilder eigen ist. Als Symbol des ewigen Lebens findet man den Ouroboros in Zusammenhang mit den Grabstätten der Pharaonen z.B. auf einem der Grabschreine, die den Sarkophag von Tutanchamun umgaben, und auf dem Deckel des inneren Sarkophags des Merenptah. Hier verweist er auf die Reise ins Jenseits, die die Pharonen antreten.

Der Ouroboros ist ein Symbol der kosmischen Einheit als Prinzip allen Lebens, das sich in der seinem Bild zugeordneten griechischen Formel „ἕν τὸ πᾶν“ – alles ist eins - ausdrückt. Hier klingt die Idee des Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos an, dass sich das Kleine im Großen spiegelt und somit den gleichen Grundgesetzen des Lebens unterworfen ist. In der alchemistischen Tradition steht der Ouroboros dann für wiederholt ablaufende Wandlungsprozesse der Materie und im Speziellen für die erstrebte Umwandlung unedler Stoffe in Gold. Das entspricht Ahmed Ibrahims Grundgedanken des Pfeils als Symbol für Leben als Bewegung. Der Kreis, den die Pfeile bilden, ist unverändert, in seinem Inneren jedoch vollzieht sich ein ständiger Wandel. Analogien zu biologischen kosmischen und individuellen Vorgängen sind möglich, das eigene „Häuten“ inklusive.

© Jutta Saum M.A. 2014