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Zu den Reliefs von Ahmed Ibrahim

Charakteristisch für das gesamte Oeuvre Ibrahims ist das freie Spiel mit geometrischen Formen, die architektonisch umgesetzt werden. So auch in seinen Wandarbeiten, die, genau genommen, als Reliefs zu bezeichnen sind. Denn Ibrahim fräst die Linien seiner geometrischen Formen-Gebilde in die Bildträger ein. Licht und Schatten werden so zu integralen Bestandteilen der Werke, so dass sich je nach Lichteinfall dem Betrachter immer wieder neue Einblicke erschließen. Die eigentümliche Statik, die geometrischen Gebilden anhaftet, transformiert sich so in einen Prozess der steten Veränderung.

Fast wäre man dazu geneigt, Ibrahims Arbeiten dem europäischen Konstruktivismus zuzuschlagen. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Ibrahims Arbeiten zeigen gewisse Irritationen, die dem Betrachter ein weites Feld an Assoziationen bieten, die mit dem strengen selbstbezüglichen Formen des Konstruktivismus wenig gemein haben.

Seine Inspirationsquellen findet Ibrahim nicht nur in der europäischen Kunstgeschichte, sondern auch in der Kunst seines eigenen Landes. Die rationale Anlage der Pyramidenarchitektur, die geometrische Strenge der Grabtempel und Paläste, die rasterartigen Grundrisse antiker Stadtpläne sind ebenso bestimmend für sein Werk wie die Technik des Basreliefs oder die rhythmisierte Reihung innerhalb figürlicher Darstellung und Hieroglyphen. Ibrahim kopiert nicht die formalen Besonderheiten der frühägyptischen Kunst. Vielmehr schöpft er aus der angebotenen Fülle und setzt diese zeitgenössisch um. So wirken Ibrahims Arbeiten auch nur auf den ersten Blick ausschließlich streng und rational. Hat man sich in seine Arbeiten eingesehen, beginnen diese ungemein zu leben. Vor dem Auge des Betrachters entfaltet sich ein vielschichtiger Dialog. Da schweben z. B. rhythmisch gegliederte geometrisch-architektonische Formen über kräftigen monochromen Farbfeldern.
Einem Vexierspiel gleich ziehen diese Gebilde den Betrachter in ihren Bann, erinnern an Bekanntes, um sich jedoch gleich wieder einer bestimmten Festlegung zu entziehen. Je nach kombinierter Farbe verändert sich der Eindruck nochmals, wirken die Gebilde mal plastisch, dann wieder flächig. Räumliche und flächige Qualitäten werden gegeneinander ausgespielt, so dass den Werken ein metamorphotischer Charakter zu eigen ist. Dies zeigt sich auch bei den kräftigen Farbfeldern, die Ibrahim großzügig anlegt. Intensives Rot, Grün oder Blau treten aufgrund ihrer Farbtemperatur einmal mehr in den Vordergrund oder in den Hintergrund.

Unausweichlich reagieren darauf auch die geometrischen Gebilde. In Zusammenspiel mit kühleren Farben wirken sie eher plastisch, warme Farben lassen sie als flächige Projektion erscheinen. Und es sind gerade diese intensiven Farben, die den Betrachter emotional ansprechen, so daß den Werken ein eigentümlich sinnlicher Reiz entströmt.

Die Werke Ibrahims sind eine gelungene Synthese aus Rationalität und Emotionalität. Sie sind Sehstück, die dazu auffordern, den innerbildichen Dialog, den uns Ibrahim anbietet, zu erkunden. Dem Betrachter wird dabei reichlich Freiraum gelassen, seine eigenen Erfahrungen zu machen.

Stefanie Lucci